Wang Kangnian (1860–1911) und die „Shiwubao“

Die vorliegende Arbeit beschaftigt sich mit Wang Kangnian, einem reformorientierten chinesischen Intellektuellen, der von der Forschung zumeist nur als Pionier des neuzeitlichen chinesischen Zeitungswesens beschrieben wird, wahrend seine Gedanken zur Reform des gesellschaftlichen und insbesondere des politischen Systems bisher kaum auf wissenschaftliche Beachtung gestossen sind. Seine Uberlegungen und Reformansatze stehen jedoch exemplarisch fur diejenigen einer ganzen Reihe von Intellektuellen, die von der Notwendigkeit und Dringlichkeit umfassender Reformen uberzeugt sind, sich jedoch gezwungen sahen, sich von Kang Youwei (1858-1927), einer der zentralen Gestalten der Reformbewegung, und dessen radikaler Neuinterpretation des Konfuzianismus zu distanzieren. Wang Kangnian kann daher als "gemassigter Reformer" betrachtet werden. Der ideologische Graben, der sich innerhalb der Reformbewegung zwischen den Anhangern Kang Youweis und anderen Reformern auftut, lasst sich am Schicksal der 1896 in Shanghai gegrundeten Zeitung Shiwubao sehr gut verfolgen. Die Shiwubao nimmt in der Geschichte der Reformbewegung nach dem chinesisch-japanischen Krieg eine herausragende Stellung ein. Durch die Form und Radikalitat ihrer Artikel bildet sie nicht nur den Auftakt zu einer bis dahin in China unbekannten Qualitat journalistischer Meinungsausserung, sondern fungiert gleichzeitig als Modell und Vorbild fur zahlreiche reformfreudige Zeitschriften im ganzen Land. Gleichzeitig spiegelt sich in ihrer Geschichte die ideologische Konfrontation zwischen den "gemassigten" und den "radikalen" Reformern. Die Arbeit schliesst Ubersetzungen wichtiger Texte Wang Kangnians sowie Reproduktionen der chinesischen Originaltexte ein."