Tiergeographie

Struktur, Funktion, Geschichte und Indikatoreigenschaften von Arealen stehen im Mittelpunkt tiergeographischer Forschung. Populationen und damit auch deren Verbreitungsgebiete wurden und werden von einer Fülle endo- und exogener Faktoren beeinflußt und gesteuert. Mannigfaltige Wechselbeziehungen bestehen zwischen ihnen und anderen ökologischen und genetischen Strukturen der Biosphäre. Deshalb müssen chorologische, ökologische und populationsgenetische Kriterien gleichberechtigt neben historischen berücksichtigt werden, wenn es gilt, Struktur, Funktion und Dynamik eines Areals zu erhellen. Eine solche Betrachtung löst naturgemäß den rein chorologischen Arealbegriff auf und verpflichtet sich, ein Verbreitungsgebiet als Arealsystem zu verstehen. Rezent-ökologische und histori­ sche Informationen über die Populationen und die von ihnen belebten Landscha- ten fließen in Arealsystemen zusammen. Sie sind lebendige Teilsysteme unserer Landschaften und gehören damit zur "Einheit stufenweise integrierter Lokal­ systeme" (ROSENKRANZ 1850), ohne deren Gesamtkenntnis weder wissenschafts­ theoretische noch praktische Weiterentwicklung möglich erscheint. Alle Organismen einschließlich des Menschen durchliefen ihre Evolution in Landschaften und gewinnen ihr Leben in der bewußten oder unbewußten Auseinandersetzung mit ihnen. Die richtige Interpretation des Informationsgehal­ tes eines Arealsystems ist deshalb sowohl für die Geographie als auch für die Biologie von entscheidender Bedeutung. Tiergeographische Analysen und Schluß­ folgerungen setzen jedoch zumindest in Teilbereichen eine vertiefte Kenntnis beider Wissenschaften voraus. Deshalb verwundert es nicht, daß eine "Tiergeogra­ phie" bei Geographen und Biologen unterschiedliche Erwartungen und Befürch­ tungen erweckt.